Blaudruck in Felsberg

Hessenblau aus Felsberg

Hans Poth


Heute sieht man es nur noch bei Trachtenaufführungen, historischen Umzügen oder in Museen: das „hessische Blau“. Ganz stark verbreitet war es in den Haushalten ab 1780 bis Mitte des 20.Jahrhunderts. Insbesondere in dem Kurfürstentum Hessen-Kassel, herrschte bei zahlreichen Gebrauchsgegenständen der landestypische Blauton vor. Ob Tischdecken, Vorhänge, Bettwäsche oder auch Arbeitskleidung gerade für Männer, vieles war aus Leinen hergestellt, in prägendem Blau gehalten und mit weißen Verzierungen geschmückt. Produktion  und Vertrieb erfolgten vorwiegend in  kleineren Landstädten. Noch in der heutigen Zeit wird das Herstellen von Blaudruck in Hobbykursen angeboten und erfreut sich dort größter Beliebtheit.


Entwicklung des Blaudrucks in Felsberg

In der Bevölkerung Felsbergs ist das mächtige Gebäude Untergasse 49 bis in die Gegenwart als das „Blaue Haus“ bekannt. Der Name rührt nicht nur vom blauen Putz des Bauwerkes her. Form und Größe weisen auf einen mehrmaligen Umbau hin, die Fassade verrät eine gewerbliche Nutzung. Fast 200 Jahre wurde hier Blaudruck im Erdgeschoß dieses Gebäudes hergestellt. Das dazu gehörige Gelände bot Platz für Lagerung von Materialien, für Trocknungsflächen sowie Raum für ins Erdreich eingegrabenen Kessel in verschiedenen Größen. Begründer der Felsberger Blaudruckerei war August Muth. Er ließ um 1800 die ursprüngliche Bausubstanz seines Hauses verändern. In ein Wohnhaus des Empirestils wurden nach Mauerdurchbrüchen Werkstätten integriert. Großzügig angelegte Räume erlaubten das Hantieren mit notwendigen sperrigen Arbeitsgeräten. Zu besten Zeiten soll er 12 Gesellen beschäftigt haben. Die Nachfolge als Besitzer trat Familie Baum an. Der Produktionsstand soll in dieser Phase zumindest noch gehalten worden sein. August Friedrich Bohn übernahm in Folge1870 den Betrieb und steigerte nicht nur die Produktion, sondern baute auch den Handel in der Region aus.


Verwendung von Modeln

Die Muster auf dem Gewebe entstehen durch den Einsatz von Schablonen, die in der Fachsprache Modeln genannt werden. Diese bestehen aus Platten von Buchsbaumholz, die mit Hilfe von Stemm- und Stecheisen mit Muster versehen waren. Hergestellt wurden sie von Formenstechern oder Holzschneidern, beides Berufe aus früheren Zeiten. Manche Modeln waren mit Stiften und Platten aus Messing verziert; bei scharfen Konturen erlaubte dies ein besonders exaktes Drucken. Um ein Verziehen zu verhindern und keine unregelmäßigen Muster entstehen zu lassen, musste das Holz trocken gelagert, gleichadrig und astfrei sein.


Färbvorgang

Wolle und Leinen wurden auf unterschiedliche Weise gefärbt. Die Wolle kam in große Kupferkessel. Darin befand sich die Blaufarbe, das Indigo. Dort wurde es über Stunden hinweg zur Lauge gekocht und die Wolle eingefärbt. Die Leinendruckerei hingegen wurde auf kaltem Weg vollzogen. Die Leinentücher tauchte man mehrmals in große Behälter, die metertief in die Erde eingelassen waren. Mehrmals am Tage wurden die Leintücher eingelassen, bis man den gewünschten Farbton erreicht hatte. Durch erhöhten Druck an einer mächtigen Mangel und mit dem Bearbeiten von Glätttafeln erhielt der Stoff seinen besonderen Glanz. Manchmal legte man das Leinen auf den Glätttisch, presste es mit einem an der Decke angebrachten hölzernen Stößel bis der Stoff wie poliert glänzte. Der Glanz des bedruckten „Zeugs“ galt als besonderes Qualitätsmerkmal bei den Hausfrauen. Bei der Benutzung von Handdruckplatten wurde das Prinzip negativer Druck angewendet. Die Platten wurden in Papp getaucht und auf Leinen gedruckt. Die Zusammensetzung von Papp war ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis


Das Ende der Landfärberei

Um 1900 ließ die Landfärberei nach. Zwar gab es noch Rohstoff aus der Schafzucht und dem Flachsanbau, aber die Arbeitsbedingungen veränderten sich. Grund war die Einfuhr von Baumwolle und auch das Entstehen von chemischen Färbereien. Industrielle Produktionsweisen machten die Landfärbereien nicht mehr rentabel. Bis in den 1. Weltkrieg hinein (1914-1918) wurde die Produktion in Felsberg aufrecht erhalten,vermutlich sogar für den Kriegsbedarf produziert. Als jedoch ab Mitte des Weltkrieges Kupferkessel eingeschmolzen wurden, um Waffen herzustellen, ist die Zeit der Felsberger Blaudruckerei endgültig vorbei. Die Kessel werden in die Erde gestampft und mit Boden bedeckt; aus den ursprünglichen Werkstatträumlichkeiten entstanden wieder Wohnungen. Damit verschwand ein Stück kleinstädtisches Gewerbe im Edertal, das einst der Stadt in Handwerk und Handel zu hohem Ansehen verholfen hatte.

Das „Blaue Haus“ von Felsberg um 1900

        

Model aus dem letzten Felsberger Blaufärber Betrieb Karl Friedrich Bohn, um 1880

        

Fotos: Hans Poth