Brauwesen

Vom Brauwesen im Amt Felsberg

von Hans Poth


Heute wirkt es eher unscheinbar, doch gegen Mitte des 16. Jahrhunderts war es für Amt und Stadt Felsberg ein wichtiges Gebäude: das städtische Brauhaus. Zusammen mit der Jakobskapelle und dem alten Hospital ist ein städtebaulich eindruckvolles Ensemble bis in die Gegenwart erhalten geblieben. Einst kam dem Haus als Institution im sozialen und wirtschaftlichen Gefüge der Kleinstadt eine zentrale Bedeutung zu. Lediglich eine ehemals größere Zufahrt lässt auf eine frühere gewerbliche Nutzung des heutigen Wohngebäudes schließen. Das  in vielfacher Hinsicht notwendige Wasser gab es durch die Sülze Lache und den Berenteich, der längst trocken gelegt ist und einst durch Quellen zusätzlich gespeist wurde. Direkt an der Hauptstraße errichtet, noch vor dem Stadttor, lag es für An- und Abtransporte ausgesprochen günstig. Ursprünglich noch weitere dazugehörige Wirtschaftsgebäude wurden um 1900 abgerissen.


Gerstensaft, ein Nahrungsmittel

Wie schon zu Zeiten der Germanen diente das Bierbrauen auch in den mittelalterlichen Städten der hauswirtschaftlichen Eigenversorgung. Die Befugnis dazu stand jedermann zu und ergab sich aus dem lokalen Gewohnheitsrecht. Beim einfachen Volk galt Bier als das beliebteste Getränk und war neben Brot das Hauptnahrungs- und weniger ein Genussmittel. Übrigens: Bier zu brauen war zunächst – vergleichbar mit dem Backen- Frauensache. Die Ausstattung der häuslichen Bierbrauer war denkbar primitiv: ein Sudraum mit Braukessel, der über der Feuerstelle stand, sowie ein Gärbottich und ein Kühlraum. Das Produkt selbst war nur begrenzt haltbar, da der Gärungsprozess fortlaufend wirkte und das Getränk nach vier Wochen ungenießbar wurde.

Produktionszeit war der Winter, Sommerbier schmeckte schnell schal. Alles spielte sich auf engem Raum ab und so mancher Stadtbrand nahm von hier aus seinen Verlauf. Mit der Einführung der landgräflichen Feuerordnung von 1524 wurde das private Brauen verboten und die Städte hatten zu diesem Zweck öffentliche Brauhäuser zu errichten. In diese Zeit darf auch die Entstehung des Felsberger Brauhauses datiert werden. Ab jetzt wurde das Brauen staatlich reglementiert. In der Landesordnung von 1526 war das Bierbrauen auf den Dörfern gänzlich untersagt worden. Für die Inhaber des Braurechts wurde es einträgliches Geschäft. War der Eigenbedarf gedeckt, konnte das Bier an Mitbewohner oder sogar an Gaststätten verkauft werden. Manchmal wurde das Braurecht gegen finanzielle Entschädigung abgetreten. Die Geräte wie Fässer und Maß sowie  Malz- und  Hopfenbottich waren von dem Brauberechtigten zu stellen. Die vorhandene Braupfanne erlaubte das Brauen von 10-12 Hektoliter. Von der Verleihung der Braurechte profitierte der Landesherr. Zur Deckung seiner erheblichen Staatsschulden hatten die Untertanen eine Bierakzise, also eine Getränkesteuer, zu entrichten.


Streitgegenstand Bier

Zunehmend wurde Bier zum Handelsgut und damit zum Wirtschaftsfaktor  für die Stadt.   Bier brauen oder Bier ausschenken war deshalb stets  auch ein Streitpunkt im Laufe der Felsberger Amts- und Stadtgeschichte. Gerste als Grundbestandteil und Hopfen als natürliches Konservierungsmittel wurden intensiv in Felsberger Gemarkungen angebaut. Noch heute erinnern die Namen von Flurbezeichnungen Hopfenberg oder „In den Hopfengärten“ daran. Generell geregelt war Bierausschank in einer Urkunde von 1612, darin waren Zusammensetzung, Menge und Abgabeverfahren festgelegt. Bereits zwischen1574-77  wurde der Mangel an Gerste im Bier kritisiert. Ein immer wiederkehrender Streitpunkt war die Beschwerde über umliegende Dörfer wegen unbefugten Bierbrauens, so auch 1654. Allein  über das Bierabholen geriet die Stadt Felsberg mit der Gemeinde Gensungen in Streit. Erwähnt sei auch, dass Gensungen sein Bier Jahrzehnte nicht aus dem benachbarten Felsberg -obwohl von der Obrigkeit so vorgesehen- sondern aus Guxhagen bezog. Als andere Dörfer des Amtes Felsberg ebenfalls von Guxhagen aus beliefert wurden und der dortige Bier-Handel sich bis nach Gudensberg erstreckte, gab es von 1653-65 einen langwierigen Streit, der nur mit Hilfe des Landgrafen geschlichtet werden konnte. Eine feste Felsberger Brauordnung gab es vermutlich wie in benachbarten Städten erst um 1680. Zur Überwachung war speziell ein Ratsherr eingesetzt, der Bierschmecker. Die Dorfchronik von Beuern beschreibt wie sehr die Ausschankkonzession für Bier zwischen 1695 -1714 im Mittelpunkt von Dorfstreitigkeiten stand. Beschwerden gingen bis vor das Rentamt in Kassel. Teilweise wurde der Schankbrief nicht rechtzeitig beantragt, oder gar die dafür notwendige Gebühr nicht entrichtet. Auch die Ausgabe von Bier mit verminderter Qualität führte zu verstärkter Untersuchung durch Felsberger Beamte. Selbst der Dorfgrebe war in Händel involviert. Er sah in der Schankkonzession für sich eine günstige Nebeneinnahme und verstieß damit gegen geltendes Recht.


Freigebräu“ für städtische Beamte

In dem Lager- Stück- und Steuerbuch von 1750 wurde das Brauerei- und Bierzapfrecht der Stadt von dem Landesherren noch einmal bestätigt. Unter der Aufsicht städtischen Personals wurde nach dem Losverfahren das Braurecht vergeben. Zu dieser Zeit gab es  immerhin 71 Brauberechtigte. Die entsprechende Lizenz war einem Haus oder Grundstück zugeordnet, folglich eher für die Oberschicht zu bekommen. Bierbrauen wurde in Felsberg immer nur freiberuflich ausgeübt;  es existierte keine direkt verantwortliche Zunft. Die Bürger fühlten sich in einer genossenschaftlichen Bindung der städtischen Einrichtung verpflichtet.  Eine Verfälschung des Bieres durch fehlerhafte Dosierung und Zubereitung konnte mit der Aberkennung des Braurechts und der Entziehung der Schankkonzession bei Gastwirten geahndet werden Für Berufe wie Schmied, Fassbinder, Böttcher, Küfer und Kupferschmied ergab sich eine sichere Einnahmequelle; Zubehörteile waren zu reparieren oder zu erneuern. Freibier gab es damals auch schon. So gehörte es zu den Privilegien für die Beamten der Stadt Felsberg- laut einer Urkunde von 1753- „Freigebräu“ zu beziehen.


Bier aus Brauereien

Mit dem Entstehen von Brauereien in Nordhessen, Mitte bis Ende des 19.Jahrhunderts, verlor das private Brauen auch in Felsberg an Bedeutung. Wie lange das Brauhaus seine eigentliche Aufgabe erfüllte,  kann nur  indirekt geschlossen werden: in der Stadtbeschreibung von 1858 fand es keine Erwähnung mehr. Das Gebäude wurde landwirtschaftlich genutzt. Eine Statistik aus dieser Zeit berichtet von 6 Gasthäusern allein im Stadtgebiet; dort dürften die Felsberger dann in ausreichendem Maße ihren Durst gelöscht haben. Auf den Dörfern gab es in der Regel 2 bis 3 Gasthäuser.

Das ehemalige Brauhaus außerhalb des Obertors

Bierbrauen in früheren Zeiten