Felsberger Straßen im Mittelalter

von Hans Poth 


Mit dem Jahr 2018 hat eine bedeutsame Maßnahme des Straßenbaus in Felsberg begonnen: die Umgehungsstraße zur Altstadt. Ein Blick auf die Geschichte Felsbergs verrät, daß Straßen schon immer eine wichtige Rolle für die Burgenstadt spielten. Wer auf der Felsburg steht, erkennt von oben die ringförmig angelegten Straßen sowie die entsprechende Ausrichtung der Parzellen und Häuser. Mit seinem Zuschnitt auf Viertelkreisformat gilt der gesamte Stadtgrundriss als städtebauliche Besonderheit in der Fachliteratur.


Günstiger Standort für Gründung

Wie bei zahlreichen anderen Städten der niederhessischen Region bildete auch in Felsberg eine Burg den Anfang zur Siedlung. Bei günstigen geografischen, wirtschaftlichen, politischen und historischen Bedingungen siedelten sich Menschen am Rand des Edertales an. Die Burg war Verwaltungsmittelpunkt, Gerichtsstandort und strategisch günstig gelegen und ein Standort von größter militärischer Bedeutung. In der Flussniederung erlaubte ertragreicher Boden Fruchtanbau und Viehhaltung. Hier konnte man seinen Lebensunterhalt bestreiten. Wissenschaftler sprechen von einem selten reinen Beispiel frühmittelalterlicher Burgstadtanlagen. Erste Wohnhäuser und Straßen gruppierten sich dauerhaft um den späteren Marktplatz etwa ab Beginn des 11.Jahrhunderts. Am Fuße des Bergkegels, auf felsigem Sockel wohnend und lebend, war man hier vor Hochwasser geschützt. Das galt auch im Laufe der Zeit für wichtige Gebäude von Stadt- und Landesverwaltung, ebenso der Kirche und des Deutschen Ordens. Ein Bürgerverzeichnis von 1575 erwähnt 127 Wohnhäuser.

Im Kreuzungsbereich der Handelsstraßen Kassel-Frankfurt sowie der in Ost-Westrichtung verlaufenden Sälzer Straße war der Standort für durchreisende Kaufleute ausgesprochen bedeutungsvoll. Bereits außerhalb der Stadt, jenseits der Stadtmauer, aber wichtig genug für die Stadt: das Valentins-Hospital für Alte und Kranke sowie die Jakobskapelle für Pilger. Etwa ab Mitte des 13. Jahrhunderts besaß Felsberg Stadtrechte.


Konzentrische Anordnung von Straßen

Unter der Herrschaft der thüringischen und später der hessischen Landgrafen wurde die 6-8Meter hohe Stadtmauer mit den Flankenmauern der Burg zu einer „Großburg“ verbunden. Die damalige Stadt erstreckte sich vom heutigen Untertor bis zum Obertor über eine Länge von 900 Meter. Es ist davon auszugehen, dass das Gelände bis 1300 geschlossen bebaut war Das Straßennetz war stufenförmig angelegt, weil man sich den topografischen Gegebenheiten anpasste. Von der Straße “An der der Stadtmauer“ über die Untergasse, Obergasse bis zur Rittergasse, alle schmiegten sich um den Burgberg und verlaufen wie Höhenlinien parallel. Der Abstand zwischen den Straßen beträgt von 25 bis zu 40 Meter. Die verkümmerte Querachse ist in die nördliche Randzone verschoben.

Während die Untergasse schon von jeher Durchgangsstrasse mit Gaststätten, landwirtschaftlichen Gehöften, Geschäften und landgräflichen Verwaltungsgebäuden war, befanden sich in den anderen Straßen Wohnhäuser, Werkstätten und Stallungen. Von Süden nach Norden führten schmale Gassen mit einer Breite von 2 Meter in konzentrischer Anordnung bergan. Der Endpunkt hierzu bildete das Zentrum um Marktplatz, Rathaus und Stadtkirche,. Die Höhenüberwindung erfolgte über leicht steile Gassen und auch über Treppen. 5 Gaststätten soll es in Felsberg mit Übernachtungsmöglichkeiten gegeben haben. Das brachte innerörtlichen Verkehr sowie Durchgangsverkehr mit sich. Zum Abstecken des Stadtgrundrisses und der Aufteilung der Bauflächen in Parzellen wurden wahrscheinlich erfahrene Baumeister herangezogen. Durch den Zuschnitt der Grundstücke und ihre Lage zur Straße waren die unterschiedlichen Bebauungsmöglichkeiten vorbestimmt. Giebelständige Häuser waren auf schmalen Parzellen errichtet worden. Der Nachteil lag darin , daß die weit in die Tiefe reichenden Häuser nur durch Fenster an der schmalen Fassade und durch eine verbaute Rückfront wenig Licht erhielten.

Wenn der Stadtgrundriss kein regelmäßiges gradliniges Raster aufweist, ist dies weder Zufall noch Unkenntnis der damaligen Obrigkeit. Straßenkrümmungen bildeten einen optischen Schutz, um geschlossene Straßenräume und Plätze zu schaffen und dienten gleichzeitig zur Vermeidung von Zugluft. Zusätzlich dürfen das Hineinragen von unregelmäßig ausgebildeten Kreuzungen sowie das gegeneinander versetzte Einmünden von Seitengassen als mittelalterliche Sparmaßnahme gesehen werden. Bürger sparten so beim Heizen an Brennmaterial.


Ratten und Mäuse übertragen Krankheiten

Die damaligen Straßen waren so angelegt, dass zwei Fuhrwerke an einander vorbei fahren konnten. Der Untergrund bestand aus Sand, der teilweise mit Stroh ausgelegt war. Straßendecken waren auch mit Balken, Brettern und Knüppeln befestigt wie zum Beispiel an der Brücke über Sülze Lache am heutigen Steinweg. Zur Befestigung des Untergrundes diente Schlacke. Bei länger anhaltendem Regenwetter waren jedoch die Straßen mit Gespannen nahezu unpassierbar, da man im Schlamm einsackte. Straßenpflasterung wurde in größeren Städten erst im 16. Jhdt. eingeführt. Die Benennung der Felsberger Hauptstraße in Steinweg dürfte etwas später erfolgt sein. Freilaufendes Vieh hinterließ Fäkalien und Misthaufen waren vor den Häusern aufgeschichtet, die dann in die öffentlichen Flächen ragten. Morastige Bodenbeschaffenheit verursachte zusätzlich bestialischen Gestank. Obwohl es bereits städtische Vorschriften gab, erfolgte die Entsorgung von Abfällen mit einer Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit mitten auf der Straße. Ratten und Mäuse übertrugen Krankheiten, die auch in Felsberg ihre Opfer forderten. Oft gab es Streitigkeiten über das Lagern von Holz oder anderen Baumaterialien auf öffentlichen Straßen und Plätzen. Das betraf die Bürger untereinander und auch Auseinandersetzungen mit dem Rat der Stadt.

Der lokale Straßenbau wurde von den Landesherrn vorangetrieben, weil man zusätzlich über die Stadt Steuern einnehmen wollte. Ab dem 14. Jahrhundert sollte jedes Wohnhaus und jede Arbeitsstelle in der Landgrafschaft Hessen-Kassel einen direkten Zugang zur Straße haben. Straßenbeleuchtung gab es nur zu besonderen Anlässen und an ausgewählten Stellen der Stadt. Mit Fackeln aus glühenden Kienspänen, die an öffentlichen Gebäuden angebracht waren, konnte man sich behelfen. Straßennamen gab es übrigens noch nicht, zur Registrierung bei der Verwaltung wurden jedoch die Häuser durchnummeriert.


Reinigung von Traufgassen erfolgte spärlich

Bei der dichten Bebauung der Felsberger Altstadt fallen die schmalen Gässchen auf, die nur als Gang zwischen zwei giebelständigen Häusern auszumachen sind. Dabei handelt es sich um Traufgassen, die höchstens 0,50 bis o,70 Meter breit sind, in vielen Fällen sogar weniger, und nur den Durchgang mit Handwagen oder Schubkarren zuließen. In der Regel waren sie fensterlos und zogen sich die gesamte Hauslänge entlang. Sie waren in den mittelalterlichen Städten als offener oberirdischer Abfluß für Schmutz- und Regenwasser zur Straße hin angelegt, weil bei der engen Bebauung einst kein Platz mehr für Traufen und Regenrinnen blieb. Gleichzeitig dienten sie dem öffentlichen Durchgang zu rückwärts gelegenen Häusern, Stallungen und Werkstätten. Als Zugang nach hinten war es der kürzeste Weg zur Fütterung und Versorgung des Viehs Darüber hinaus waren sie Abflussrinnen, von wo menschliche und tierische Fäkalien auf die Straßen gespült wurden. Die Reinigung erfolgte eher spärlich und dann auf städtische Anordnung. Durch den geringen Abstand zwischen den Häusern bestand ein hohes Brandrisiko. Bei rechtzeitiger Meldung konnte jedoch die Feuerwehr den schmalen Raum zwischen den Gebäuden, die „Feuergasse“ zur Brandbekämpfung und zum Schutz des Nachbarhauses nutzen.

Untergasse mit Krümmung, Foto Poth

Felsberger Straßen von oben

Älteste Darstellung vom Untertor, repro Poth