Hexenverfolgung

Aus grausamer Zeit:

Hexenverfolgung in den Ämtern Gudensberg, Melsungen und Felsberg

von Hans Poth


Die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai ist bekannt als Walpurgisnacht; bis in die Gegenwart hat sie sich ihren mystischen Charakter bewahrt. Was heute als Folkloreveranstaltung begangen und vermarktet wird, erinnert in seinem Ursprung an eines der dunkelsten Kapitel deutscher Kulturgeschichte. Schon seit dem 14. Jahrhundert- so die Glaubens- und Fantasievorstellung der damaligen Menschen- trafen sich feier- und tanzfreudige Dämonen und Hexen. An geheimnisumwitterten Plätzen, der Blocksberg im Harz ist der bekannteste davon, huldigte man der Heiligen Walpurga, einer englischen Äbtissin, die als Beschützerin der Zauberkünste galt.


Anklagen

Bei ausufernden Ritualen sah die Kirche in solchen Treffen freilich Relikte des Heidentums, Verstöße gegen zeitgemäße Sitten und Normen sowie eine bewusste Abkehr vom christlichen Weltbild. Seit Ende des Spätmittelalters und mit Beginn der Neuzeit kannte die damals gültige Rechtsprechung fünf zu ahndende Elemente in der Hexenlehre. Der Vorwurf strafwürdiger Handlungen und Verhaltens bestand bei: Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, Schadenszauber und Teilnahme am Hexensabbat. Unterstützt auch von der weltlichen Gerichtsbarkeit, der „Peinlichen Halsgerichtsordnung“, galt es, die Abwendung vom christlichen Glauben zu verhindern und die Obrigkeit bei ihrer Machterhaltung zu stabilisieren. Gerüchte verbreiteten sich schnell, gezielt wurden Personen beschuldigt und danach setzten unerbittlich die ordnungserhaltenden Verfolgungsmechanismen ein.


Hexenverfolgungen in der Region

Wie in vielen Regionen Deutschlands gab es auch in der Landgrafschaft Hessen-Kassel zwischen 1510-1710 zahlreiche Hexenverfolgungen. Nach dem jetzigen Forschungsstand waren 314 Menschen, darunter auch Kinder, wegen Schadenszauber, Hexerei und Zauberei angeklagt. Knapp 30 Prozent der Anklagen endeten mit dem Todesurteil. Zu 80 Prozent waren es Frauen, die aufreibende Prozesse zu ertragen und unter den schmerzvollen Foltermethoden, der „peinlichen Befragung“, zu leiden hatten. Es gab Verteidiger, die von der Obrigkeit bestellt, aber von den Angeklagten zu bezahlen waren. Nach den bis jetzt vorliegenden Daten scheint es um 1590, um 1630 und um 1660 Prozesswellen gegeben zu haben.
In unserer Region gab es im Amt Gudensberg mit 15 Anschuldigungen, teilweise auch mit Todesurteilen, einen regelrechten Verfolgungswahn, davon allein in Besse 9 Anklagen. In Fritzlar erlitt eine Frau als Hexe den Verbrennungstod. Aus dem Amt Melsungen sind zwei Untersuchungen gegen Frauen bekannt, wobei man sich auf die Aussage eines geisteskranken Mädchens stützte.
So wurde gegen die Wirtin Kolbe aus Schwarzenberg eine Verhandlung geführt, weil sie von Zeugen beschuldigt wurde, sie habe Abendmahlsbrot gestohlen. Ein weiterer Vorwurf bestand darin, ein Kind zum Zaubern verführt zu haben. Glücklicherweise findet die Angeklagte einen einsichtigen Richter und wurde schließlich freigesprochen.


Verurteilung verhindert

Im Staatsarchiv Marburg wurden für das Amt Felsberg bis jetzt 5 Anklagen archivalisch registriert, von denen zwei Prozesse mit Haftentlassung endeten. Aus dem Jahr 1590 berichtete der Rentschreiber von Felsberg, Hans Fleischhauer, über das Hexenunwesen im dortigen Amt. Er unterstellte der Bewohnerin Metze Gerlach eine Zauberin zu sein. Nach Aussage der Nachbarn würde sie mit ihren Kindern als reißender Wolf ihr Unwesen treiben, den Sonntag entehren sowie „während der Kirchzeit Hanf rupfen und Heu machen“. Für das auffallend häufige Viehsterben in Felsberg wurde sie von Einwohnern ebenfalls verantwortlich gemacht. Metze Gerlach wehrte sich jedoch erfolgreich in langwierige Verhandlungen mit Eingaben bei Landgraf Wilhelm IV. sowie durch Stellung einer Kaution und entging so einer drohenden Verurteilung. Nach der Haftentlassung wurde ihr sogar ein Anrecht auf Schadenersatz zugebilligt. Zurück blieben und Rufschädigung.


Freispruch in Marburg

Gegen Martha, Ehefrau des Jost Fröhlich aus dem Amt Felsberg, wurde 1664 ein peinlicher Prozess eröffnet, nachdem bereits 1662 gegen sie und den Mitbürger Jost Müller Anklage erhoben worden war. Aus der lückenhaften Aktenlage ist der Prozessausgang allerdings nicht mehr zu ermitteln.
Von 1664-1665 wurde die Mutter des Felsberger Bürgers Hans Georg Fröhlich wegen Hexerei und Zauberei in den Gefängnisturm von Felsberg, der sich neben dem Untertor befand, inhaftiert. Es folgte ein Aufenthalt im Marburger Gefängnis.  Sehr zur Verwunderung der damaligen Öffentlichkeit hatte sie die allgemeine Befragung einschließlich Folter überstanden, ohne sich selbst oder andere Frauen der Hexerei zu beschuldigen. Von Folter und Misshandlungen gezeichnet, wurde sie schließlich von der juristischen Fakultät Marburg freigesprochen.

Doch die Richter entließen sie längst noch nicht in die Freiheit. Ihr Sohn konnte die 63 Reichstaler, die für Kost und Unterbringung in der Haft zu zahlen waren, nicht aufbringen. Sie galt auch weiterhin als Hexe und musste sich verpflichten, sich weder an Landgraf Wilhelm VII. noch an den Juristen oder den Folterknechten zu rächen. Erst nach einer Beschwerde wurden Mutter und Sohn vom landgräflichen Hof die Schulden erlassen und der Frau ein freies Leben ermöglicht.


Erklärung

Für die Entstehung und den Verlauf des Phänomens Hexenverfolgungen werden in der gegenwärtigen Geschichts- und Religionswissenschaft viele Gründe angeführt. Unter den Vorwänden gegen Glauben und Gesetze zu verstoßen kamen Verdächtigungen auf, die zu Prozessen führten und Menschen in ihr Unglück stürzten. Zumeist gab es jedoch einen ganz weltlichen und materiellen Hintergrund für die Anzeigen, häufig waren dies: Sozialneid, lokale Intrigen von Einzelpersonen oder ganzen Familien, aber auch Kritik an der Obrigkeit, Diskreditierung politischer Gegner und Ausschaltung wirtschaftlicher Konkurrenz.


Quellen:

Karl Heinz Spielmann: Hexenprozesse in Kurhessen, Marburg, 1932.

Kurt Liebelt: Geschichte des Hexenprozesses in Hessen-Kassel, Zeitschrift für hessische Geschichte und Landeskunde, Bd. 58, NF Bd. 48, Marburg, 1932.

Sabine Schleichert: Hexenprozesse in der Landgrafschaft Hessen-Kassel, in Hessisches Jahrbuch für Landeskunde Bd. 43, Marburg, 1993.

Christian Roos: Hexenverfolgung und Hexenprozesse im alten Hessen, Marburg, 2008. 

Hans-Jürgen Wolf: Hexenwahn, Dornstadt, 1989

Das Bild zeigt das Untertor in Felsberg um 1840. In dem Turm rechts

wurden einst Menschen inhaftiert, die der Hexerei angeklagt waren.